Strukturerhaltende MOR (Model Order Reduction) für parametrische nichtlineare mechanische Systeme

"In den letzten Jahren finden sich in der Technik zunehmend leistungsfähigere mechanische Komponenten, wie zum Beispiel die in Automobil-, Luft- und Raumfahrtanwendungen eingesetzten Leichtbaustrukturen, wieder. Auch aktive Strukturen, die über geeignete Sensoren, Aktoren und Regler während des Betriebs gezielt beeinflusst werden können, etwa um Schwingungen aktiv zu dämpfen, sind Trend jüngerer Entwicklungen. Insgesamt lassen sich diese Strukturen unter dem Begriff der smart structures zusammenfassen.

Für Entwurf, Auslegung und Analyse solcher Strukturen kommen häufig Simulationen basierend auf Finite-Elemente-Methoden zum Einsatz. Die dabei zu lösenden Gleichungen sind im Allgemeinen nichtlinearer Natur und besitzen eine große Anzahl von Unbekannten. Dies bedeutet für das Lösen dieser Gleichungen zumeist einen großen Rechenaufwand, den es vor allem bei Optimierungsaufgaben sowie Echtzeitanwendungen zu vermeiden gilt.

Um den Rechenaufwand zu verringern, können Verfahren zur Modellordnungsreduktion (Model Order Reduction oder kurz MOR) eingesetzt werden. Während MOR-Verfahren für lineare Systeme bereits gut verstanden sind, besteht für die Reduktion von nichtlinearen Systemen noch weiterer Forschungsbedarf. Hierbei müssen drei Hauptaspekte berücksichtigt werden:

Wie bei linearen Systemen kann die Anzahl der Unbekannten für nichtlineare Systeme über eine Projektion auf einen durch eine Reduktionsbasis aufgespannten Unterraum verringert werden. Die Herausforderung hierbei besteht darin, eine geeignete Reduktionsbasis zu ermitteln, die sowohl die relevante nichtlineare Systemdynamik abbildet als auch leicht berechnet werden kann. Bisher benötigen viele solcher Methoden aufwändige Trainingssimulationen des unreduzierten Modells. Ziel ist es daher, Methoden zu entwickeln, die von Simulationen des unreduzierten Modells unabhängig - simulationsfrei - sind. Dies brächte die Vorteile mit sich, dass die hohe Rechenzeit für Trainingssimulationen wegfallen und die Reduktionsbasis von den vom Benutzer gewählten Trainingsbedingungen unabhängig würde.

Eine weitere Herausforderung besteht in der Reduktion des nichtlinearen Terms, der der geometrischen Nichtlineartität des Systems entstammt. Eine reine Projektion reicht hier nicht aus, um die Rechenzeit für seine Auswertung signifikant zu verringern. Stattdessen wird auf sogenannte Hyperreduktionsmethoden zurückgegriffen. Auch hier sind Verfahren gefragt, die ohne Trainingssimulationen des unreduzierten Modells auskommen.

Zuletzt sollen die entwickelten simulationsfreien MOR-Verfahren auch auf parametrische Systeme erweitert werden. Parameter können dabei Geometrie-, Material- oder sonstige Systemeigenschaften widerspiegeln, die zur Auslegung dienen. Damit wäre auch die Möglichkeit geschaffen, Optimierungsaufgaben, zum Beispiel von Geometrie oder idealen Sensor- und Aktorplatzierungen, bei deutlich verringertem Rechenaufwand durchzuführen.

Für die genannten Herausforderungen werden im Forschungsprojekt Model Order Reduction of Parametric Non-Linear Mechanical Systems for Influencing Vibrations, das zum Schwerpunktprogramm 1897 Calm, Smooth and Smart - Novel Approaches for Influencing Vibrations by Means of Deliberately Introduced Dissipation der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG - SPP 1897) gehört, Lösungen erarbeitet."

[Lerch, C. und Meyer, C.H. (2017): Modellordnungsreduktion für parametrische nichtlineare mechanische Systeme mittels erweiterter simulationsfreier Basen und Hyperreduktion]